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Interkommunales Austauschtreffen: Implikationen des Rechtsanspruchs – „Den Rechtsanspruch kommunal gestalten!“ 

Am 17. August 2023 fand das 7. interkommunale Austauschtreffen im Projekt DialOGStandorte als digitales Austauschformat statt. Ingesamt war es die fünfte Veranstaltung in der Reihe „Implikationen des Rechtsanspruchs". Neben Vertreter*innen der Steuerungsebenen aus den Projektkommunen, waren weitere Teilnehmer*innen, bspw. aus der Entwicklungswerkstatt ‚Ganztag in Südwestfalen‘ der Transferagentur, aus Jugendämtern, Schulverwaltungs- und Schulämtern, Bildungsbüros, der Freien Wohlfahrtspflege sowie der Landschaftsverbände eingeladen. Insgesamt waren Verterter:innen aus 10 unterschiedlichen kreisfreien und kreisangehörigen Städten vertreten.

Der inhaltliche Fokus der Veranstaltung lag auf dem kollegialen Fachaustausch über kommunale Herangehensweisen und Lösungsansätze zur Begegnung der Herausforderungen, die das Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) mit sich bringt. Gleichwohl die Eckpunkte eines Landesausführungsgesetztes noch nicht vorliegen, liegen dennoch kommunale Entwicklungsthemen auf der Hand. Einige dieser Entwicklungsfelder können nur gemeinsam mit Land und weiteren Partner*innen angegangen werden, bei anderen Themen sind die Kommunen verantwortliche Gestalter*innen. Ziel der Veranstaltung war es, sich über solche strategischen und operativen Fragen auszutauschen, so das möglichst alle Teilnehmenden am Ende mit neuen Anregungen, Fragen und Impulsen aus dieser Veranstaltung herausgehen. 

Nach Begrüßung und thematischer Einführung, fragte der Tagesmoderator André Altermann eingangs ein Stimmungsbild ab, wie die Teilnehmenden in ihren je spezifischen, beruflichen Rollen derzeit die Herausforderungen des Rechtsanspruchs wahrnehmen. Nur eine Minderheit stimmte zu „zuversichtlich in die Zukunft zu blicken“, während die überwiegende Mehrheit der Anwesenden „Zweifel beschleichen oder sie mit Sorge an die noch anstehen Aufgaben in Ihrer Kommune blicken“ oder gar „äußerst besorgt sind und kaum noch Hoffnung haben, dass die Herausforderungen in ihrer Kommune bis zum Stichtag zu meistern sind“. 

Anschließend hatten die Teilnehmenden zunächst die Möglichkeit, selbst zu Wort zu kommen, indem jeweils eine Person aus der teilnehmenden Kommune oder dem Landkreis kurz berichtete, mit welchen Themen sie sich aktuell im Zuge des Rechtsanspruchs beschäftigen. 

Häufig benannt wurden dabei Herausforderungen, die im Zusammenhang mit unzureichenden Raum- und Flächenbeständen und fehlenden (qualifiziertem) Personal bestehen. Darüber hinaus berichteten einige Kommunen, dass in den kommunalen Verwaltungsstrukturen zum Teil umstrukturiert und neue Stellen geschaffen wurden, um die Entwicklung des Offenen Ganztags voranzubringen. Denn für einen koordinierten und effizienten OGS-Ausbau sei es notwendig, Expert*innen in der Kommune zu haben, bei denen die Stränge zu allen relevanten Themen zusammenlaufen und die die Steuerung übernehmen. 

Im Anschluss an den Austausch im Plenum konnten die Teilnehmer*innen aus fünf vorgeschlagenen Themen abstimmen, zu welchen sie sich in Break-Out Räumen austauschen wollen. Folgende Aspekte wurden ausgewählt: 

  • Personal (Akquise & Qualifizierung) 
  • Kommunale Netzwerkarbeit sowie 
  • Raum und Flächenplanung / technische Ausstattung

Die Diskussionsstränge aus den Break-Out Räumen werden im Folgenden zusammengefasst dargestellt. 

Die Kleingruppe zum Thema Personal befasste sich zu verschiedenen Aspekten der Akquise, Personalsicherung und -entwicklung (Qualifikation) von Personal. Dabei diskutierten sie Herausforderungen sowie Lösungsansätze aus den verschiedenen Kommunen und widmeten sich speziell der Frage, wen und was es für mögliche Handlungsansätze braucht. Auch berichteten einige Kommunen von eigenen Beispielen und Erfahrungen. Die Ergebnisse wurden auf einem Conceptboard protokolliert, welches hier eingesehen werden kann.  

Zum Thema kommunale Netzwerkarbeit tauschten sich Vertreter*innen aus der Kommunalverwaltung sowie von den freien Jugendhilfeträgern aus verschiedenen Kommunen und Landkreisen aus. Sie berichteten, dass die kommunale Netzwerkarbeit, Dreh- und Angelpunkt darstelle, um Bedarfe zu eruieren und anhand dessen den OGS-Ausbau strukturiert und zielgerichtet voranzubringen. Im Rahmen von kommunalen Steuergruppen oder Qualitätszirkeln können Aspekte des Ganztagsausbaus mit allen relevanten Akteuren diskutiert und konkrete Aufträge zur Realisierung vergeben werden. Hierbei sei es notwendig, so berichten die Kommunalvertretungen, dass jemand verantwortlich ist, für die Einberufung und Koordination des jeweiligen Arbeitskreises. Deutlich wurde bei der Berichterstattung aus den Kommunen und Landkreisen außerdem, dass die Vernetzung der Schule- und Jugendhilferessorts noch deutlich intensiviert werden muss, aufgrund der OGS-Trägerstrukturen in NRW. So wurde beispielsweise aus Hagen berichtet, dass im Rahmen einer Aufstockung von Verwaltungsstellen und der Neustrukturierung der Themenschwerpunkte sowohl beim Jugendamt als auch beim Schulverwaltungsamt die Vernetzung beider mitgedacht und vorangetrieben wurde. Entsprechend beschäftigt man sich aktuell damit, ein gutes fachliches Miteinander mit einem gemeinsamen Gesamtblick auf Hagen zu entwickeln. Dabei wird auch nochmal die bisherige Gremienstruktur analysiert und bei Bedarf angepasst. Diese Vernetzung ist gerade in Landkreisen mit Gemeinden, die kein eigenes Jugendamt haben, sehr komplex, da es sich mit den Zuständigkeiten nochmal anders verhält. Wie in der Eingangsrunde bereits beschrieben wurde, haben einige Kommunen zum OGS-Ausbau zusätzliche Stellen und Strukturen geschaffen. Im Workshopraum waren daher einige Teilnehmer*innen, die ihre Stelle erst vor kurzer Zeit angetreten haben und aktuell noch überwiegend damit zu tun haben, sich bekannt zu machen und die eigene Rolle zu finden, weshalb sie von den eingebrachten Themen sehr profitieren konnten.  

An der Diskussionsrunde waren ca. 10 Personen beteiligt. Einige Kommunen haben sich auf den Weg gemacht eine erste Bestandsaufnahme bzgl. der zur Verfügung stehenden Flächen anzufertigen, um darauf aufbauend weitere Maßnahmen, wie Neu- und Umbau oder Umgestaltung von Flächen (multifunktional) abzuleiten. Als Richtwert gehen einige Kommunen von einer Ganztagsbeteiligungsquote von 80% aus, während andere direkt mit 100% kalkulieren, um den zu erwartenden zukünftigen Aufwuchs von Beginn an mitzudenken. Baumaßnahmen sind zeitaufwändig und Lösungen für die nahe Zukunft müssen jetzt angegangen werden, so die Begründung. Hürden bei der Umsetzung von neu- und Umbaumaßnahmen bestehen nach wie vor, durch fehlende Planerische Expertise (Architektinnen) und umsetzenden Dienstleistern der Bauindustrie. Aber auch Reorganisationsprozesse im bestehenden Raum- und Flächenbestand, bspw. durch die Neugestaltung von multifunktionalen Räumen stößt häufig noch auf Akzeptanzprobleme bei Lehr- und Fachkräften, weil Räume als „Eigentum“ betrachtet werden oder die Mehrfachnutzung mitunter nicht den fachlichen und/oder pädagogischen Ansprüchen an einen „Arbeitsraum“ genügen - oder weil Räume mitunter so klein sind, dass auch eine multifunktionale Nutzung keine Lösung darstellt oder sie schlichtweg nicht möglich ist. Uneins waren sich die Diskutant*innen über der Frage, ob es pädagogisch angemessen ist Kindern über den Tag hinweg keine oder wenige Raumwechsel zuzumuten. Die Vertreter*innen der „Heimat-Raum-Konzepte“ (oder ähnlicher Modelle) betonten, dass Vertrautheit Sicherheit schafft. „Kritische Stimmen“ argumentierten mit fehlender Stimulanz und das Kinder sehr wohl räumliche Veränderungen im Tages-und Wochenablauf benötigen und sich wünschen. 

Neben der großen Herausforderung, pädagogisch geeignete Räume und Flächen zur Verfügung zu haben, die eine kindorientierte Bildung, Förderung und Betreuung gewährleisten, stellt die Verpflegungssituation mitunter das größte Problem dar. Viele Ganztagsschulen sind mit Ihren Verpflegungskonzepten an Grenzen angelangt, die einen weiteren Ausbau aus technischen Gründen (zu kleine Räume, keine hinreichenden Stromleitungen etc.) erschweren oder gar verhindern. Hier versucht man teilweise mit veränderten Verpflegungskonzepten gegenzusteuern. In einigen Schulen/Kommunen ist die Problematik mitunter so gravierend, dass darüber nachgedacht wird einem Teil oder allen Kindern kalte Speisen anbieten zu müssen.

Eine zentrale Erkenntnis - die für die kommunale Steuerungsebene gleichzeitig ein Problem darstellt - ist, dass jede Ganztagsschule als Einzelfall betrachtet werden muss und es hinsichtlich der notwendigen Raum- und Flächenplanungen, aber auch hinsichtlich notwendiger technischer Ausstattungen keine Blaupausen geben kann. Jeder Schulbestand im zugehörigen Sozialraum muss individuell betrachtet und gemeinsam mit den Leitungsteams der Ganztagsschulen geplant werden.

Zum Abschluss der Veranstaltung wurden die Hauptaspekte aus den Break-Out Räumen vorgestellt und Rückfragen beantwortet. Viele Teilnehmer*innen wiesen auf die Verantwortung des Landes hin, zeitnah Eckpunkte eines Landesausführungsgesetztes vorzulegen, die für die kommunale Planungsebene Handlungssicherheit verspricht. Dem entgegengesetzt betonte eine Teilnehmerin – unter Zustimmung von vielen – dass es nicht zielführend sei zu warten und nichts zu unternehmen. Vielmehr müsse die verbleibende Zeit, bis der Rechtsanspruch greift, genutzt werden, um Verwaltungsstrukturen zu überarbeiten und anzupassen, neue und zielführende Personalkonzepte zu erproben sowie sich unter den bestehenden Rahmenbedingungen mit Raum- und Flächenkonzepten auseinanderzusetzen. Denn diese Aspekte sind unabhängig von den konkreten Inhalten eines Landesausführungsgesetzes von großer Bedeutung und in vielen Kommunen und Landkreisen notwendige Entwicklungsfelder. Dabei darf nicht vergessen werden, dass diese Aufgaben keinem Selbstzweck dienen, sondern notwendige Veränderungen und Weiterentwicklungen darstellen, um den Heranwachsenden in den kommunalen Bildungslandschaften bestmögliche Startchancen zu bieten.