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4. interkommunales Netzwerktreffen - Rhythmisierung und Verzahnung

Beim 4. Interkommunalen Netzwerktreffen der Praxisebene stand das Thema „Rhythmisierung und Verzahnung in offenen Ganztagsgrundschulen“ im Fokus. Die Veranstaltung wurde zusammen mit Dr. Ilse Kamski gestaltet, die neben einer ausgewiesenen wissenschaftlichen Expertise in der Thematik auch über einen großen Erfahrungsschatz in der praktischen Zusammenarbeit mit (Ganztags-)Schulen verfügt. Neben Inputs zur theoretischen Rahmung von Frau Dr. Kamski und anschließenden Austauschphasen zur Vertiefung, wurde den Teilnehmenden mit der Hagenschule aus Dinslaken außerdem ein Praxisbeispiel für eine gelungene Rhythmisierung präsentiert.

In einem ersten Teil führte Frau Kamski zunächst in Grundlagen von (offenen) Ganztagsschulen ein. Durch den sukzessiven Ausbau der Ganztagsangebote seit 2003 verbringen Kinder und Jugendliche zunehmend mehr Zeit in schulischen Räumlichkeiten. Aus diesem Grund ist es bei der Konzipierung der Angebote wichtig, deren Bedürfnisse stärker mit einzubeziehen. Ausgehend von diesen einleitenden Überlegungen skizzierte die Referentin einen Rahmen zur Systematisierung von Gestaltungsbereichen offener Ganztagsschulen (siehe Abbildung 1). Dieser kann unter anderem dazu verwendet werden, sich als Ganztagsschule den eigenen Stand zu vergegenwärtigen (Wo stehen wir?) und diesen bedarfsorientiert weiterzuentwickeln (Wo wollen wir hin?).

Abbildung 1: Systematisierung GTS¹

Hiervon ausgehend wurde die erste Austauschphase eingeleitet, in der sich die teilnehmenden Leitungstandems zunächst über den Stand an ihrer Ganztagsschule in den Bereichen Lernorganisation und Kooperation unterhalten sollten, um sich anschließend mit anderen Standorten hierüber auszutauschen. Hierbei zeigte sich in einer anschließenden Plenumsphase die Vielfalt an diesbezüglichen Ansätzen in den projektteilnehmenden Ganztagsgrundschulen. Bezogen auf die multiprofessionelle Zusammenarbeit im Team wurde zum Beispiel betont, dass neben formellen Kommunikationsanlässen auch informelle Berührungspunkte zwischen den Professionen geschaffen werden müssen. Hierfür eignen sich z.B. ein gemeinsamer Teamraum, der allen am Standort beschäftigten Mitarbeitenden offensteht, aber auch gemeinsame Ausflüge oder Feiern. Auch das gemeinsame Wirken bei Anlässen wie Elternabenden schweißt zusammen. Kooperation und Lernorganisation gehen dabei Hand in Hand: Eine gute Abstimmung im Team ist gleichzeitig eine Bedingung für eine gut abgestimmte Lernorganisation und verzahnte Angebote.

Im Anschluss an diese allgemeine Einführung in Gestaltungsbereiche von Ganztagsschulen, stand explizit die Rhythmisierung im Fokus. Zunächst skizzierte Frau Kamski mit einem kurzen Input Facetten der Thematik. Als Begründungszusammenhang für die Rhythmisierung in Ganztagsschulen werden häufig physiologische Leistungskurven herangezogen, die einen Wechsel von Unterricht im Vormittagsbereich (hohe Konzentration/ Leistungsfähigkeit) und Entspannungs- und Spielphasen im Nachmittagsbereich (niedrige Konzentration/ Leistungsfähigkeit) suggerieren. Frau Kamski problematisiert in diesem Zusammenhang, dass solche Leistungskurven-Verläufe in pädagogischen Zusammenhängen noch wenig erforscht sind und keine unabändlerlich feststehende Größe sind. Sie sind vielmehr abhängig von der pädagogischen Gestaltung der Arbeitsformen bzw. eine Frage der Lernorganisation und kein Resultat eines vermeintlich natürlichen Arbeits-Rhythmus der Kinder und Jugendlichen. Ganztagsschulen sollten sich nicht auf solche vermeintlich objektiven Modelle verlassen, sondern müssen vielmehr ‚ihren eigenen Rhythmus‘ finden. Hierbei gilt zunächst ganz allgemein, dass man als Ganztagsschule „nicht nicht rhythmisieren kann“, da sich ohnehin, bewusst oder unbewusst ein Tagesrhythmus ergibt. Es gilt vor allem, diesen Rhythmus bewusst im Sinne und unter Beteiligung der SchülerInnen und im Zusammenwirken des multiprofessionellen Teams zu gestalten. Hierbei kann man grob zwischen äußerer (schuleinheitlich festgelegte Strukturierung), innerer (interne Lernstruktur innerhalb des Unterrichts/ der außerunterrichtlichen Angebote) und individueller Rhythmisierung (individuelle Ausrichtung auf einzelne SchülerInnen) unterscheiden (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Rhythmisierung²

Diese Systematisierung der Ebenen kann (offenen) Ganztagsschulen dabei helfen, ihren Ist-Stand zu erheben, zu reflektieren und ggf. weiterzuentwickeln. In einer zweiten Austauschphase wurden die Teilnehmenden eben hierzu angehalten. Auch hier galt es wieder, zunächst mit Blick auf den eigenen Standort den Ist-Stand und mögliche Entwicklungsbedarfe zu diskutieren und sich im Anschluss mit anderen OGS hierüber auszutauschen.

Zu guter Letzt präsentierten Katrin Hellmich (Konrektorin) und Jennifer Welke (Erzieherin im Ganztag) das Rhythmisierungskonzept der Hagenschule aus Dinslaken. Sie fokussierten sich dabei in erster Linie auf die rhythmisierten Ganztagsklassen, die es seit dem Schuljahr 2013/14 an der dreizügigen Schule gibt. Hierbei können die Eltern, wenn sie ihre Kinder im offenen Ganztag anmelden, zwischen einem additiven Angebot (Unterricht am Vormittag, Ganztagsangebote am Nachmittag) und der Aufnahme in eine rhythmisierte Ganztagsklasse wählen. Bei der rhythmisierten Ganztagsklasse wird die klassische Trennung von Vormittag und Nachmittag zugunsten eines integrativen, verzahnenden Ansatzes aufgehoben, sodass Anspannungs- und Entspannungsphasen, Unterrichts- und Freizeitphasen über den ganzen Tag verteilt sind (siehe den beispielhaften Stundenplan, Abbildung 3).

 

Uhrzeit

Montag

Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

07:00 - 08:00

Offener Anfang

08:10 – 08:55

Deutsch/ SU

Deutsch

Deutsch

Religion *

Deutsch

09:00 – 09:45

Mathematik

Freiarbeit

Kunst

Mathematik

Klassenrat/ SU

09:45 – 10:10

Frühstückspause mit anschließender Hofpause

10:10 – 10:55

Sport

Lernzeit

Lernzeit

Deutsch

Mathematik

11:00 – 11:45

Englisch

Mathematik

Mathematik

Musik

Fördern/Fordern

11:45 - 11:55

Hofpause

11:55 – 12:40

Freizeit

JEKI/ Ensemble

Freizeit

Sachunterricht

JEKI

12:45 – 13:30

Freizeit

JEKI

Freizeit

Freizeit

JEKI

13:30 – 14:15

Lernzeit

Freizeit

Sport

Lernzeit

-

14:15 – 15:00

Kunst

Englisch

Sport

Freizeit

-

15:00 – 17:00

Möglichkeit der weiteren Betreuung in additiven Gruppen

 

Abbildung 3: Beispielhafter Stundenplan der Hagenschule

 

Vor Schulbeginn (07:00 – 08:00 Uhr) gibt es an jedem Tag einen offenen Anfang. In der Kernzeit von 08:00 - 15:00 Uhr finden im Wechsel Unterricht, Freizeit und Lernzeiten statt. Von 15.00 bis 17.00 Uhr können die Kinder aus den rhythmisierten Ganztagsklassen dann in den bestehenden additiven Ganztagsgruppen weiter betreut werden. Eine Besonderheit in den Ganztagsklassen ist hierbei, dass sowohl Unterricht als auch Lern- und Freizeitangebote in der Regel im Zusammenwirken von einer Lehrkraft und pädagogischen Fachkraft gestaltet werden. Auch ist man um eine möglichst starke inhaltliche Verschränkung von Unterricht und Ganztagsangeboten bemüht.

Als wichtige Voraussetzungen für dieses Modell nannten die beiden ReferentInnen zunächst entsprechende Räumlichkeiten: Neben einem Klassenraum braucht es Differenzierungsbereiche die zur individuellen Förderung und Forderung der Kinder sowie als Spiel- und Rückzugsorte genutzt werden können. Die Ganztagsklassen werden jeweils durch ein festes Klassenleitungsteam, bestehend aus einer Lehrerin und einer Erzieherin (jeweils) mit einer möglichst hohen Stundenanzahl begleitet. Hierbei ist es wichtig, dass die Teams auf Augenhöhe zusammenarbeiten und das ausreichend Besprechungszeiten vorgesehen sind, um sich gegenseitig auszutauschen und den Tag und das gemeinsame Wirken zu planen und zu reflektieren. Außerdem braucht es solche Austauschzeiten ebenfalls für einen übergreifenden Austausch zwischen den unterschiedlichen Klassenleitungsteams, um die Angebote gut aufeinander abstimmen zu können.  

Das Praxisbeispiel der Hagenschule, ebenso wie die Inputs von Frau Kamski und die Ergebnisse der Austauschphasen haben gezeigt, dass das Thema Rhythmisierung und Verzahnung nicht für sich steht, sondern hierdurch weitere Aspekte der Ganztagsschulentwicklung berührt werden. Für eine gelungene Rhythmisierung braucht es beispielsweise einer engen Abstimmung im multiprofessionellen Team, um Angebote entsprechend planen und verzahnen zu können. Darüber hinaus sollten bei der Konzipierung der Angebote die Kinder im Zentrum stehen und unbedingt beteiligt werden. Das Beispiel der Hagenschule zeigt, dass einige Kinder täglich von 07:00 bis 17:00 Uhr – und somit länger als jede Lehr- oder pädagogische Fachkraft – ihre Zeit in der offenen Ganztagsgrundschule verbringen. Dementsprechend müssen deren Bedürfnisse und Bedarfe unbedingt berücksichtigt werden. Damit einhergehend braucht es angemessene Räumlichkeiten, um dem Wechsel von Anspannung, Entspannung, Unterricht, Bewegung, Spiel und Freizeit und den dahinterliegenden Bedürfnissen der Kinder gerecht werden zu können.

Somit lassen sich viele der Themen und Aspekte, an denen im Laufe des Projektgeschehens schon gearbeitet wurde – wie z.B. Partizipation, multiprofessionelle Kooperation und multifunktionale pädagogische Raumgestaltungen – für die (Weiter)Entwicklung eines Rhythmisierungskonzeptes fruchtbar machen.

Weiterführende Links und Literatur

Rhythmisierungskonzept der Hagenschule aus Dinslaken

Rhythmisierungskonzept der Köllerholzschule aus Bochum

Werkzeugkoffer der Serviceagentur Ganztätgig Lernen – Thema Rhythmisierung (Praxisbeispiele, Materialien und weiterführende Links)

¹Kamski, I. (2022):Rhythmisierung im Ganztag – Man kann nicht nicht rhythmisieren. In Forum Verlag Herkert (Hrsg.), Praxisratgeber Ganztagsschule: Konzept, Realisierung und Weiterentwicklung (2.8). Loseblattsammlung. Merching: Forum Verlag Herkert
²Kamski, I. unter Mitarbeit von Koltermann, S. (2014): Rhythmisierung in Ganztagsschulen. Erprobte Praxis – funktionierende Modelle. Schwalbach/Ts.: Debus Pädagogik Verlag.